Was macht eigentlich Hans-Jürgen Boysen?
"Für mich als Trainer war das ein Knall aus heiterem Himmel"
Hans-Jürgen Boysen war 2000 Trainer, als beim FC Augsburg die Lichter ausgingen. Mit seinem Team hatte er zwar in der Regionalliga Süd den 8. Platz erreicht und sich damit für die neue zweigleisige Regionalliga qualifiziert, aber nach dem Crash des Hauptsponsors Infomatec war der FCA pleite und musste in die Bayernliga zwangsabsteigen.
Hallo Herr Boysen, wo habe ich Sie denn gerade erreicht?
Im Auto. Ich bin gerade mit einem meiner Oldtimer unterwegs zu einem Fotoshooting.
Gleich mehrere? Wie viele Fahrzeuge haben Sie denn?
Insgesamt besitze ich zwölf Oldtimer. Ich bin Sammler, aber ich vermiete meine Fahrzeuge auch für Hochzeiten, Filmaufnahmen oder Fotoshootings. 
Wann hatten Sie zuletzt einen Anruf aus Augsburg?
Oh, das ist schon lange her. Das war 2018 zum 111. Geburtstag des FCA, da wurden ehemalige Trainer und Spieler eingeladen. Ich glaube, das war zu einem Heimspiel gegen Leipzig, jedenfalls war das eine tolle Veranstaltung und ein rundum schöner Tag.
Heute Morgen habe ich in einem Gespräch erwähnt, dass ich mit Ihnen ein Interview mache. Mein gegenüber meinte: „Der Boysen? Der ist so etwas wie der Ziehvater von Sascha Mölders“. Ihre Wege haben sich immer wieder gekreuzt. 
Ziehvater ist etwas übertrieben (lacht). Ich habe als Trainer beim FSV Frankfurt im Januar 2010 den Sascha von Rot-Weiss Essen loseisen können und wir hatten eine sportlich sehr erfolgreiche Zeit. Die Krönung war der Aufstieg in die 2. Bundesliga. 2022 wurde er dann mein Co-Trainer bei der SG Sonnenhof Großaspach. 
Am 8. Mai 2011 kam es in der 2. Bundesliga zu einem denkwürdigen Spiel. Ich hoffe Sie wissen, was ich andeuten will.
Selbstverständlich, an diesem Tag spielte der FCA gegen den FSV Frankfurt in der 2. Bundesliga. Wir gingen bereits in der 3. Minute nach einem Foul an Sascha Mölders durch einen Elfmeter in Führung, Augsburg glich wenig später durch Michael Thurk aus und das Spiel stand lange auf Messers Schneide. In der 85. Minute erzielte dann Stephan Hain den vielumjubelten Siegtreffer und machte den Aufstieg des FCA in die Bundesliga perfekt.
Drehen wir mal die Uhr zurück: Sie haben am 1. Januar 2000 beim FCA angeheuert und Alfons Higl in der Regionalliga Süd abgelöst. Wie hat es Sie damals nach Augsburg verschlagen?
Jürgen Rollmann war damals Manager beim FCA, wir kannten uns von verschiedenen Trainertagungen. Damals ging es um die Qualifikation für die zweigleisige Regionalliga und es sah zu diesem Zeitpunkt nicht so gut aus.
Das stimmt, die Saison begann äußerst verheißungsvoll, der FCA gewann die ersten vier Spiele und war Tabellenführer. Dann kamen die Amateure des FC Bayern, es waren 4.000 Zuschauer im Stadion, das Spiel wurde aber leider 0:2 verloren. Danach ging es bergab. In der Winterpause wurden sie angeheuert, es sprang Platz acht heraus.
Wir hatten sportlich unser Saisonziel erreicht, die Probleme lagen aber ganz wo anders, denn wirtschaftlich gingen in Augsburg im Sommer 2000 alle Lichter nach dem Crash des Hauptsponsors Infomatec aus. 
Wie haben Sie diese Zeit erlebt? 
Für mich als Trainer war das ein Knall aus heiterem Himmel. Wir wussten zwar, dass es nicht gut bestellt war, aber dass es gleich so krass kommen würde, damit haben wir nicht gerechnet. Wir waren ja schon in Gesprächen mit vielen Neuzugängen, einige davon hatten uns bereits zugesagt und dann kam eben die Nachricht, dass der Hauptsponsor pleite war. Danach löste sich alles in Luft auf. 
Sie haben sozusagen die „Stunde Null“ des FCA miterlebt. Wenig später kam Walther Seinsch nach Augsburg und ein Fußballmärchen begann. Was hätten Sie im Sommer 2000 auf den FCA gewettet?
Wenn ich ehrlich bin, nicht viel. Ich bin anschließend zu den Stuttgarter Kickers gewechselt, hätte ich etwas früher erfahren, dass Seinsch kommt, wäre ich wahrscheinlich geblieben. Ich habe natürlich mitbekommen, was in Augsburg passiert ist und der Klub hat wirklich eine sensationelle Entwicklung durchgemacht. 
Sie waren dreißig Jahre als Trainer tätig, unter anderem bei Kickers Offenbach, Stuttgarter Kickers, SV Sandhausen, FSV Frankfurt und 1. FC Schweinfurt. Welche Station war die schönste?
Als Trainer sicherlich Kickers Offenbach, mit dem Klub bin ich zwei Mal in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Und auch die Zeit in Sandhausen war sehr erfolgreich, dort konnte ich auch einige Aufstiege feiern. Letztendlich habe ich meine Zeit überall genossen.
Am OFC hängt ihr Herz aber schon ganz besonders …
Ja, das muss ich schon gestehen, ich sitze ja dort auch seit Jahren im Aufsichtsrat. 
Nicht nur das, seit Ende September 2025 sind Sie auch Sportdirektor.
Interimsmäßig. Meine Aufgabe besteht aktuell darin, den Trainer zu unterstützen und einen neuen sportlichen Leiter zu finden. Wir sind da in sehr guten Gesprächen und ich denke, wir können schon bald weißen Rauch aufsteigen lassen.
Die Kickers sind sehr gut gestartet, aber inzwischen stehen sie in der Tabelle auf einem Mittelfeldplatz, die Aufstiegschancen für die 3. Liga sind äußerst gering. Wie lautet das Saisonziel?
Leider hinken wir den Ansprüchen hinterher, was auch seine Gründe hat, die ich aber hier jetzt nicht näher ausführen möchte. Wir wollen natürlich noch aus dieser Saison das Optimale herausholen. Wir geben nicht auf, auch wenn das Ziel derzeit in weiter Ferne liegt.
Die Kickers haben ein unglaubliches Fanpotential und ein tolles Stadion. Fühlt man sich als Offenbacher manchmal wie ein Hamster im Laufrad?
Unsere Fans sind wirklich außergewöhnlich. Die Regionalliga Südwest ist eine Hammerliga mit ambitionierten Traditionsmannschaften wie den Stuttgarter Kickers, FC Homburg, Eintracht Trier, Hessen Kassel. Es ist brutal schwer da aufzusteigen. Dazu erschweren die U23-Teams der Bundesligisten noch alles zusätzlich. Unser Ziel ist die 3. Liga und das wollen wir in den nächsten zwei Jahren realisieren. Da gilt es alles so zu justieren und stabilisieren, dass uns das auch gelingt. Der OFC feiert 2026 sein 125-jähriges Vereinsjubiläum und da wäre natürlich der Aufstieg die Krönung.
Sie sind in einem Alter, in dem es sich die meisten Leute gern eher gemütlich machen. Ist Fußball eine Droge, von der man nicht loskommt, oder was ist ihre Motivation?
Wenn man einmal in diesem Zirkus aufgetreten ist, dann will man nicht mehr aus der Manege (lacht). Es ist ein toller Beruf, egal ob als Spieler oder Trainer, ich habe sehr viele tolle Menschen kennengelernt und wenn ich so zurückblicke, dann war das eine fantastische Zeit.
Ein paar Sätze zum FCA 2025?
Es ist unglaublich, dass der FCA sich so lange am Stück in der Bundesliga behaupten kann. Diese Saison kann ich schwer bewerten, ich bin gespannt, wohin der Weg führen wird. Das Potential ist definitiv da. Ich drücke die Daumen und wünsche Sandro Wagner und seinem Team das Allerbeste. (ws)