25 Jahre Augsburger Jungs – der älteste FCA-Fanclub feiert Jubiläum
Von Aindling bis nach Liverpool!
Die Augsburger Jungs sind der älteste aktive Fanclub des FC Augsburg. Als sie sich im Jahre 2000 gründeten, lag der FCA in Schutt und Trümmern. Es folgte ein regelrechtes Fußballmärchen, ihr Weg führte sie von der Bayernliga in die Bundesliga und 2015 sogar in die Europa League, sozusagen von Aindling bis nach Liverpool. Neben der Liebe zu ihrem Klub spielt auch die soziale Komponente für die knapp 50 Mitglieder eine wesentliche Rolle. Walter Sianos begab sich auf Zeitreise mit Marc, Jakob, Michael und Manne.
Ihr habt euch im Jahr 2000 gegründet. Das war eine der schwärzesten Stunden in der Vereinsgeschichte.
Marc: Ja, zu dieser Zeit erlebte der damalige Sponsor Infomatec seinen Crash und daraufhin wurde dem FCA die Lizenz entzogen. Es folgte der Zwangsabstieg in die Bayernliga und diesen Moment kann man definitiv als Point Zero bezeichnen. Der FCA war pleite, hatte keinen Sponsor, einige Wochen vor Saisonstart 2000/2001 keinen Trainer und nur ein paar Jugendspieler im Kader. Da hatte man schon Angst, dass die Lichter für immer ausgehen könnten.
Diese Zeit kann man aber auch als Geburtsstunde des neuen FCA bezeichnen. Walther Seinsch kam zum Klub und eine unglaubliche Erfolgsgeschichte begann.
Manne: Davon war anfangs nicht viel zu sehen oder zu spüren, alles lag in Trümmern. Aber irgendwie hat es der damalige Manager Fritz Bäuml mit dem kommissarischen Vorstand um Jürgen Treffler geschafft, einen Trainer zu finden und eine einigermaßen schlagkräftige Truppe zusammenzustellen. Walther Seinsch kam dann erst im Winter 2000 zum FCA. Und das war, wie wir heute alle wissen, der Start einer unglaublichen Erfolgsgeschichte.
Ende der 90er Jahre gab es eigentlich keinen Fanclub in der Rosenau. Ihr wart 2000 tatsächlich der erste, der sich gegründet hat. FCA-Fan zu sein, war damals alles andere als en vogue. Man wurde sogar gelegentlich verspottet.
Jakob: Ja, das kam schon vor und man musste sich immer wieder mal auf dem Weg ins Stadion einen blöden Spruch anhören, so wie: „Hoi, spielt heute der AEV?“ Uns war das aber ziemlich egal, ganz im Gegenteil, wir waren sogar stolz darauf, FCA-Fans zu sein und unser eigenes Ding durchzuziehen. Uns war wichtig, unsere Stadt und unseren Verein zu supporten, gerade wenn es scheiße läuft. Das war schon auch gegen den Mainstream, Bayern-Fan sein kann schließlich jeder ...
Wieviele Mitglieder hattet ihr bei eurer Gründung und was waren die Aufnahmekriterien?
Michael: Nachdem Seinsch beim FCA angeheuert hatte, bekam der Klub schnell neue Strukturen, man konnte regelrecht zusehen, wie das Schiff wieder Kurs aufnahm. Und da wollten wir nicht nachstehen, haben unsere Kräfte gebündelt und einen Fanclub aus der Taufe gehoben. Es gab keine Aufnahmekriterien, wir waren tatsächlich froh über jeden Fan, der beigetreten ist.
Jakob: Die erste Infoveranstaltung ging damals in der Pele-Sportbar über die Bühne, dort fanden sich etwas mehr als ein Dutzend Fans ein und kurze Zeit später war das Baby geboren. Wir hatten schon nach einigen Wochen knapp vierzig Mitglieder. Es gab auch keinen Präsi oder Vorstand, in erster Linie war uns einfach wichtig, dass zu jedem Auswärtsspiel ein Bus organisiert werden konnte. Und derjenige, der die Bus-Orga übernahm, war automatisch der Capo. In diesem Fall war das Albert Lichtenstern, der leider nicht mehr unter uns weilt.
Wie euer Name schon verrät, waren damals im Stadion Frauen eher eine Seltenheit.
Jakob: Hinter dem Namen steckt kein Statement zu Geschlechterrollen, am Anfang waren es eben bis auf ein oder zwei Ausnahmen nur Jungs. Der Name resultiert aus einem Fansong: „Wir sind alle Augsburger Jungs.“ Inzwischen hat sich das Verhältnis Mann-Frau natürlich stark verändert, auch bei uns.
Ihr habt ja mehr schlechte als gute Zeiten erlebt. Wie war das für euch, als der Erfolg beim FCA einzog?
Marc: Nach zwei Jahren Bayernliga sind wir 2002 aufgestiegen. Gleich am ersten Spieltag in der Regionalliga beim Heimspiel gegen Kickers Offenbach waren über 4.000 Zuschauer in der Rosenau. So etwas hatte es lange nicht mehr gegeben. Da konnte man erahnen, in welche Richtung unser weiterer Weg führen würde. Ab der 2. Bundesliga kamen sie dann in Scharen.
Michael: Das hat uns einerseits gefreut, aber andererseits haben wir schon auch die Szenerie kritisch verfolgt. Aus dem hässlichen Entlein wurde ein attraktiver Schwan und plötzlich musste man seinen Verein mit vielen fremden Gesichtern teilen. Aber damit muss man leben, Erfolg macht sexy und keiner will das Rad wieder zurückdrehen.
Neben der Leidenschaft zum Fußball spielt bei euch auch eine hohe soziale Komponente eine prägende Rolle. Ich kann mich noch an die gute alte Erna erinnern, eine Dame jenseits der 70, die in jungen Jahren beim BCA Handball gespielt hat und schon in der Bayernliga bei jedem Spiel dabei war. Ihr habt sie oft abgeholt und auch wieder nach Hause gebracht.
Marc: Erna Furchner ist leider vor Jahren schon verstorben, aber sie war immer dabei und hat dazugehört. Da war es Ehrensache, dass wir uns um sie gekümmert haben, gerade als es ihr nicht mehr so gut ging, denn Erna war eine Seele von Mensch.
Manne: Solche Dinge haben bei uns immer eine große Rolle gespielt. Wir haben uns nicht nur zum Saufen und Fußballschauen getroffen, der Zusammenhalt untereinander war schon von Beginn an sehr groß und das haben wir uns bis heute so bewahrt. Wenn einer mal Hilfe braucht, dann sind wir zur Stelle.
Oft sind Fanclubs Interessengemeinschaften, die sehr ähnlich ticken. Ihr seid ein komplett bunt zusammengewürfelter Haufen, vom Rechtsanwalt bis zum Arbeiter.
Michael: Wir haben die beschissensten Zeiten dieses Vereins zusammen erlebt und waren trotzdem da. Sowas schweißt zusammen. Unsere Aktivitäten gehen über den Spieltag hinaus, wir kennen uns zum Teil schon seit über dreißig Jahren. Die Augsburger Jungs sind tatsächlich ein Querschnitt der Gesellschaft. Bei uns spielt es keine Rolle, wer oder was du bist. Hier sind alle gleich.
Die meisten von euch stehen auch für eine gewisse Haltung. Wie politisch ist euer Fanclub?
Manne: Innerhalb dieses Fanclubs gibt es natürlich verschiedene Strömungen, aber bei uns haben Rechtsextremismus, Rassismus oder Homophobie nichts zu suchen, darauf kann man es reduzieren.
Der Weg des FC Augsburg ging steil nach oben und führte den Verein innerhalb von elf Jahren vier Ligen hoch, von der Bayernliga in die Bundesliga, sozusagen von Aindling bis nach Liverpool.
Manne: Wenn man das mal alles so genau betrachtet, dann ist es ein großes Privileg, so etwas erleben zu dürfen. Viele von uns waren schon in den 80er und 90er Jahren dabei und haben in dieser Zeit erfolglose und triste Jahre erlebt.
Der moderne Fußball ist sehr von Kommerzialisierung geprägt. Aus Stadien wurden Arenen, die Ablösesummen haben schwindelerregende Pegel erreicht. Ihr habt die Wochenendtrips nach Ansbach, Stegaurach, Markt Schwaben und Ismaning überlebt. Wünscht man sich manchmal diese Tage wieder zurück?
Marc: Nein, eigentlich nicht. Das Einzige, was wir vermissen, ist die alte Stadiongaststätte, die vor und nach den Spielen unsere Heimat war. Da sind wir meist nach jedem Match noch mit den Spielern zusammengesessen und haben ein paar Bierchen getrunken. Das ist heute undenkbar. Heute ist alles im XXL-Format, aber wenn man mal Bundesligaluft geschnuppert hat, dann will man auch nichts anderes mehr haben.
Michael: Ein Traum war 2015, als wir in der Europa League gespielt haben. Gerade die Trips nach Bilbao, Alkmaar oder Liverpool waren unglaublich. Ich selber bräuchte jetzt nicht jedes Jahr Europapokalspiele, aber alle paar Jahre, das wäre schon sehr cool.
Was bedeutet der Fanclub für euch selbst?
Jakob: Er ist ein Anker für uns alle. Die WWK ARENA beherbergt bei fast jedem Heimspiel 30.000 Zuschauer und es ist natürlich alles anonymer geworden. Da ist unser Platz im O-Block schon noch so etwas wie ein Heimathafen. Früher kannte man in der Bayernliga tatsächlich fast jeden Zuschauer.
Ist er ein Bund für das Leben?
Michael: Wir werden uns mit großer Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft immer im Stadion treffen und auch darüber hinaus verbunden sein, aber dafür brauchen wir eigentlich keinen Namen. Deswegen: Wenn es irgendwann mal vorbei ist, dann ist es eben vorbei. Schließlich haben wir im Grunde alles zusammen erlebt und alles erreicht, was man erreichen kann ...
Das Jubiläum wurde anständig gefeiert.
Marc: Ja, da haben wir uns nicht lumpen lassen und haben zum Tänzchen geladen. Und natürlich haben wir ziemlich ausgelassen in der Rosenaugaststätte mit Live-Bands und DJs gefeiert. Wir haben sogar eine kleine Ausstellung und Retrospektive auf die Beine gestellt.
Was wünscht man sich nach 25 Jahren Mitgliedschaft?
Manne: In erster Linie, dass alles so gut und harmonisch weiterläuft wie bisher und dass wir uns das alles bewahren können. (ws)